Enge des Bewusstseins

Die „Enge des Bewusstseins“ ist schuld daran, dass wir immer nur einen (extrem winzigen!) Ausschnitt der Wirklichkeit bewusst erfassen können. Durch alle Sinnesorgane werden jedoch weit mehr Informationen aufgenommen. Das kann sich zum Beispiel in Träumen zeigen, wie psychologische Experimente ergeben haben).
Die tieferen Schichten des Vorbewussten und des Unbewussten lassen sich jedoch mit Hilfe bestimmter Methoden, die wir in unseren Seminaren verwenden (Cluster, VierSpalter, TraumEntfaltung) erschließen und nutzbar machen. Das gilt insbesondere, um verborgene Meinungen und Vorurteile beispielsweise über „Geld“ ausfindig zu machen, die in der Kindheit und Jugend erworben wurden und später das Geldverhalten und die Geldanschauung des Erwachsenen nachhaltig beeinflussen – nicht selten ohne dass man davon weiß.

Wenn man Autofahren lernt, setzt man diesen sehr komplexen Vorgang gewissermaßen aus Einzelteilen zusammen: Wo gebe ich Gas? Wie bremse ich? Wie schalte ich in einen anderen Gang? Wie lenke ich? Wie mache ich die Scheinwerfer an? Wie betätige ich den Richtungsblinker? Wie schalte ich die Scheibenwischer an, wenn es regnet? Wie aktivere ich die Heizung? Wie programmiere ich dem Navi mein Ziel ein?
Nach und nach werden all diese Einzelaktivitäten automatisiert und zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt, das vom Gehirn selbständig organisiert und durchgeführt wird. Mein (enges) Ich-Bewusstsein kann sich währenddessen ganz auf den Genuss des Fahrens, die vorbeigleitende Landschaft und / oder ein Gespräch mit einem Mitreisenden konzentrieren.

Das Schreiben eines Romans
Beim Schreiben eines Romans geschieht Ähnliches: Aus vielen Einzelelementen, Handwerklichem und theoretischem Hintergrundwissen („Rezepte“) wird nach und nach eine Routine, die ähnlich wie beim Autofahren zunehmend automatisiert ist, sodass man sich ganz auf das Erzählen konzentrieren kann.
Das ist wie der Blick durch ein winziges Bullauge, während man sich auf einem riesigen Ozeandampfer (= das ganze Gehirn) befindet.

Eindrucksvolle Leistungen des Gehirns
Zur Kapazität unseres Gehirns zwei beeindruckende Zahlen:
„Bereits ab dem 20. Lebensjahr sterben bei jedem von uns mehrere Tausend Hirnzellen pro Tag. Die Folgen halten sich jedoch zunächst in Grenzen. Erstens, weil die Menge der Zellen nicht allein ausschlaggebend für die Qualität der Hirnarbeit ist. Zweitens, weil mit über 20 Milliarden Neuronen und 100 Billionen Kontaktstellen (Synapsen) eine gewaltige Reserve da ist.“ (Birbaumer S.180)

Ein weiteres aufschlussreiches Zitat aus demselben Buch:
„Angenommen, wir fahren mit dem Auto durch die Stadt. Plötzlich schaltet die Ampel an der Kreuzung auf Rot. Dieser Reiz passiert zunächst die unbewusste Vorverarbeitung binnen der ersten 100 Millisekunden, was aber schon reicht, um den Reiz intuitiv richtig, nämlich als potentielle Gefahr einzuschätzen, so dass wir umgehend auf die Bremse steigen. Mit der Folge, dass unser Auto zum Stehen kommt und wir die rote Ampel meistens erst registrieren, wenn bereits die Bremsen quietschen. Denn zum Bewusstwerden eines Signales bedarf es einer längeren Zeit und einer weitergehenden Ausbreitung der Erregung im Gehirn, die mindestens 200, wenn nicht sogar 300 Millisekunden dauert. Wir atmen tief durch und lehnen uns zurück. Noch einmal Glück gehabt! Und dieses Glück besteht vor allem darin, dass unser Gehirn eben auch auf Reize reagiert und sie in ihrer Bedeutung einschätzt, bevor sie uns bewusst werden.“ (S.222)
Ein heutzutage nicht mehr ungewöhnliches Verfahren, das Bewusstsein (angeblich) zu erweitern, sind Halluzinogene wie Marihuana oder LSD. Sie öffnen das, was Aldous Huxley als Reduktionsventil des Gehirns bezeichnet hat.
Genau genommen scheinen sie das Zeitgefühl zu verändern und vielleicht sogar den Durchsatz des Gehirns an Informationen. Dadurch entsteht der Eindruck einer ungewohnten Fülle an Wahrnehmungen. Auch „nach innen“, ins Gedächtnis, öffnen Halluzinogene (oder auch bestimmte Meditationsübungen) die „Pforten der Wahrnehmung“.

Schreibend die „Enge des Bewusstseins“ erweitern
Dies würde hier nicht erwähnt, wenn es nicht eine weit zuverlässigere und vor allem ungefährlichere Möglichkeit gäbe, das Reduktionsventil zu öffnen und das „Bewusstsein zu erweitern“:
Das Schreiben.
Während unser Kurzzeitgedächtnis nur etwa drei Items gleichzeitig im Fokus halten kann (schon eine neue vierte Information schiebt eine der drei alten aus dem Speicher) – können wir auf dem Papier schriftlich nahezu beliebig viele Informationen aneinanderhängen.
Wir können einen Artikel wie diesen, den Sie gerade lesen, verstehen, der eine Menge Details miteinander verknüpft..
Wir können sogar ganze Romanserien wie Harry Potter mit an die 5000 Seiten und (bei rund fünf Details pro Seite) geschätzten 25.000 Informationen im Blick behalten – als Autor ebenso wie als Leser.

Quellen
Birbaumer, Niels und Jörg Zittlau: Dein Gehirn weiß mehr, als du denkst. Berlin 2014

Letzte Aktualisierung: 25. Juli 2015