Fehler und Korrekturen
Eine Reihe von hilfreichen Tipps plus die Geschichte vom „garant irt dreckfühlerfreien Buch“ und die Anekdote vom Zen-Meister mit dem Fliegenschiss
Vorab:
Dieser Text wurde vom Verfasser 7-mal korrigiert. Wenn er trotzdem noch Fehler enthalten sollte: Bitte Nachsicht üben. Hier schon mal ein paar Kommata zur gefälligen Anbringung, wo welche fehlen:
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(Dank an Hannes Keller für diesen genialen Vorschlag.)
Als (Viel-)Schreiber muss man einfach irgendwann den Kompromiss machen zwischen
° dem eigenen Perfektionismus
° und dem, was man (potentiellen) Lesern zumutet.
Fehler sind vielleicht so etwas wie Mutationen der (Schrift-)Sprache. Die meisten sind nur lästig, manche allerdings sogar schädlich. Einige wenige bringen jedoch Neues in die Welt – etwa als Verschreiber, der ungewollt witzig ist (hierzu gehören auch Fehlleistungen der Diktier-Software – s.u. 9); oder als hilfreicher Neologismus.
Perfektion kann man nur anstreben; erreichen wird man sie nie. (Dazu zwei Beispiele in der nächsten Ausgabe dieses Newsletters als Trost und Anregung zu mehr Gelassenheit angesichts eigener wie fremder Fehler. Der dort erwähnte Zen-Meister hat sicher etwas Richtiges erfasst.)
Das mit den Tipp-/Druckfehlern ist immer ärgerlich. Sehr ärgerlich. Für mich jedenfalls. Als versierter Schnelltipper, der nie richtig Blindschreiben gelernt hat, ist mir das doppelt wichtig. Denn eines ist klar: Man selbst ärgert sich über JEDEN Fehler, den man in fremden Texten entdeckt, sobald es mehr als drei sind (dies ist jedenfalls meine persönliche Toleranzgrenze). Was also tun, um eigene Teste möglchst flrfr hnzubekommne? Das Beste wäre natürlich, das Ganze mit Humor zu nehmen und sich über jeden Fehler zu amüsieren (wie über die, welche ich im vorangehenden Satz absichtlich stehenließ). Doch hier nun einige
20 Tipps zum Aufdecken und Vermeiden von Schreib-Fehlern
1.
Hilfreich ist natürlich die Fehlerkorrektur, die einem WORD anbietet (sie ist inzwischen bei OUTLOOK eMails auch recht gut). Aber aufgepasst – da liegt noch so manches im Argen und wird es auch immer bleiben. Eine natürlich gewachsene – und weiter wachsende – Sprache lässt sich wohl grundsätzlich nicht mit einem Such-Programm total überwachen. (Sie wundern sich vielleicht, weshalb ich diese so selbstverständliche Hilfe hier überhaupt erwähne. Der Grund ist einfach: Ich vergesse diese Möglichkeit immer wieder – oder schalte sie ab, weil sie mir lästig ist. Dennoch ist sie die einfachste Hilfe, die es gibt, und in ihren Grenzen recht brauchbar.)
2.
Grundsätzlich ist jede Veränderung des Layouts oder der Darstellungsform (Bildschirmtext, ausgedruckte Version in verschiedenen Formaten und Schriften) eine Hilfe, welche Fehler leichter zugänglich macht, weil das Auge resp. das Gehirn sich nicht auf die beim Immer-wieder-lesen rasch vertraute Erscheinungsform berufen kann. Das ist angewandte Gestaltpsychologie: Das Gehirn ergänzt automatisch sehr leicht das, was es erwartet – obwohl das vielleicht gar nicht dasteht. Die Veränderung des Erscheinungsbilds hilft da enorm. Bei E-Mails geht das ganz einfach: Wenn man rechts oben in der Leiste des Formulars auf „Schriftgrad“ kickt, kann man das Text-Layout in mehreren Varianten hoch- und wieder runterzoomen.
3.
Zu dieser Veränderung resp. Verfremdung passt es auch, den Arbeitsplatz zu ändern, an dem man korrigiert. Wunderbar korrigiert es sich im Café bei einem Latte Macchiato (wenn man den Trubel um sich herum abschalten kann oder sich eine ruhige Zeit aussucht), auf einer Parkbank oder in einer öffentlichen Bibliothek, wo auch viele andere über ihren Texten brüten.
4.
Man suche sich jemanden, mit dem man wechselweise Korrektur liest: fremde Augen lesen ebenfalls „distanzierter“ als man selbst. Gute Freunde oder die eigene Ehefrau sind für das Aufspüren reiner Tippfehler bestens geeignet, wenn man sie nicht zu sehr und zu oft strapaziert (völlig ungeeignet sind diese jedoch, was die BEWERTUNG der Qualität des Geschriebenen angeht).
5.
Man könnte sogar ganze „Lese-Kreise“ bilden. Dies war aber bisher nur in den Schreib-Gruppen zu etablieren, die Texte in gemeinsamen Anthologien auf „Book on Demand“-Basis veröffentlichen und entsprechend sehr daran interessiert sind, möglichst wenige störende Druckfehler zu produzieren.
6.
Selbst sollte man die Texte immer wieder mal mit einigem zeitlichen Abstand durchschauen; das „verfremdet“ ebenfalls. Da hilft eine Nacht „dazwischen“ schon viel. Jedesmal präsentiert einem die Lektüre neue „Funde“. (Auf meinen beiden Websites sind das derzeit an die 800 Texte – also eine recht aufwändige Angelegenheit – vor allem, wenn man die neue Rechtschreibung akzeptiert).
7.
Den jeweiligen Text nicht nur „stumm“ mit den Augen lesen, sondern auch mal LAUT! Das Ohr teilt einem nämlich nicht nur viel über zu lange Sätze, Schachtelsätze, schiefe Bilder etc. mit, sondern man entdeckt schon deshalb mehr Fehler, weil man laut vergleichsweise langsamer und somit weniger flüchtig liest. Das „Ohr“ lässt sich jedenfalls weniger leicht betrügen als das „Auge“.
8.
Eine Variante davon: Den Text aus der handgeschrieben Version dem PC diktieren (das ist bei mir oft der Fall, weil ich in meinen Schreib-Seminaren viele Texte verfasse, denn ich schreibe immer mit). Eine Schreibkraft, die das abtippt, ist aber nur dann eine gute Fehler-Verhinderin – wenn sie gut im Entdecken von Fehlern ist.
9.
Andere Variante, noch dazu preiswerter: Es gibt inzwischen eine außerordentlich gut arbeitende Software: DRAGON naturally speaking – Version 15 für rund 250 €uro in der Variante, die mir am sinnvollsten erscheint (Link: http://www.nuance.de). Man kann sich den so vom PC getippten Text außerdem in zwei Varianten vorlesen lassen (was das Korrigieren parallel dazu enorm erleichtert!):
° mit der eigenen Stimme (da entdeckt man die Fehler, welche die Software macht – die hingegen schreibt das, was sie erkennt, immer 100 % richtig – macht also keine „Tipp-Fehler“),
° mit einer fremden Stimme (da entdeckt man eigene Denkfehler etc. – weil der PC einem dann das vorliest, was er tatsächlich geschrieben hat). Auf jeden Fall stellt diese Variante das nötige Stück Distanz (Verfremdung) zum Text her, der ihn wieder „fremd und frisch“ macht. Dann ist man gleich wieder neugierig auf das, was man da verfasst hat – und NEUGIER ist bekanntlich der beste Garant dafür, dass man genauer hinschaut.
10.
Bei meiner Website geht es mir immer (immer!) so, dass ich paradoxerweise manchen Fehler erst dann entdecke, wenn der neue Text für JEDEN sichtbar im Internet gepostet ist. Dann korrigiere ich die Fehler natürlich umgehend, sobald ich ihn entdecke – was jedoch bei RSS-Feed die Peinlichkeit der Fehler in der erstpublizierten Form nicht erspart. Das ist mir jedoch schnurz. Es ist einfach leider so: Ich kann MEINE Fassung vorher ausdrucken und in dieser – schon etwas distanzierteren – Form in aller Ruhe durchlesen: geschärft wird das „kritische Auge“ erst durch die jedermann zugängliche Version.
11.
Grundsätzlich: Jeden Text mindestens fünfmal durchkorrigieren, so viel Professionalität muss sein. Und vor allem: jede aus der aktuellen korrigierten Fassung in die Datei übernommene Korrektur sauber abhaken! Selbst da, beim Übertragen der Korrekturen, macht man nämlich „neue“ Fehler (resp. lässt alten Murks stehen, was auf dasselbe hinausläuft) – weil man so manchen alten Fehler schlicht überliest.
12.
Wirklich wichtige Texte gebe ich einer Studentin zum Korrigieren, die am Buchwissenschaftlichen Institut gerade die Ausbildung als Verlagslektorin absolviert. Das ist finanziell machbar. Ist aber ebenfalls keine Garantie, weil diese Helferin ihrerseits so manches übersieht – was ja nur menschlich ist (s.u. 19.)
13.
Wesentlich teuer sind die Dienste, welche man von freiberuflichen Lektoren bekommt – hier der Link zum Verband VFLL: „http://www.vfll.de“. Auch diese Professionalität ist allerdings keine Garantie bezüglich „übersehene Fehler“.
14.
Hilfreich sind allemal die Leser. Ich freue mich über jede Leserzuschrift mit Hinweis auf Fehler und trage die Korrekturen ein – was natürlich nur bei den Internet-Texten rasche Hilfe bringt. (Selbst teile ich anderen Autoren von mir entdeckte Fehler aus diesem Grund ebenfalls mit – allerdings nicht immer, sondern nur dann, wenn ich den Text „mag“, oder den Autor.)
15.
Psychologisch gesehen ist das alles natürlich eine Frage der GEDULD. Hochbegabte (und Vielschreiber, um bei dieser Gruppe zu bleiben, die von Fehlern besonders geplagt werden, sind wohl meistens Hochbegabte) haben aber genau davon erfahrungsgemäß sehr wenig: Geduld.
Wenn man diese Geduld als Autor (noch) nicht hat, sollte man sie sich antrainieren. Das geht in der Tat. Dazu muss man allerdings zunächst ein wenig Selbsterforschung betreiben und eine der wichtigsten Wurzeln der Ungeduld erkennen. Sie ist, wie so manches Übel, in der Schule begründet. Dort lernten wir, und zwar über viele Jahre hinweg (die bei Akademikern nochmals um etliche Jahre auf der Universität ergänzt wurden), dass Schreiben meistens dazu dient,
° fremdes Wissen (des Lehrers) abzuschreiben – was enorm langweilig ist;
° in Prüfungen Wissen zu reproduzieren (was wegen des Stresses und der Prüfungsängste ebenfalls negativ besetzt ist).
Wenn es gelingt, diese alten Ressentiments abzubauen, entdeckt man irgendwann, dass der kreative Prozess beim Schreiben eigentlich zwei Phasen hat:
° das Hinschreiben der Rohfassung,
° und das sorgfältige Überarbeiten, bis der Text seine professionelle Qualität hat (die eben auch viel mit Perfektion = „Fehlerfreiheit“ zu tun hat). Erst wenn man begreift, dass beide Phasen gleich wichtig sind, bringt man irgendwann die nötige Geduld auf, auch die siebente Fassung (oder die 26. – s.u.) mit derselben Sorgfältigkeit wie die erste zu redigieren und zu korrigieren.
Dabei immer auch ans Publikum denken: an die potenziellen Leser, für die jeder Fehler ab dem vierten (s.o. 1. Absatz) ein Ärgernis ist, das immer mehr von den eigentlichen Inhaltlichen Qualtäten ablenkt. Beide Qualitäten sind wichtig:
° die äußere Form (und dazu gehört nun mal die Fehlerfreiheit)
° und die innere Form des Inhalts.
16.
GELASSENHEIT ist der Geduld nahe verwandt. Der Informatiker Hannes Keller schrieb in den 1990er Jahren ein Handbuch zu seiner Schreib-Software „WitchPen„. Wissend, dass es darin Fehler geben werde, bot er dem geneigten Leser schon im Vorwort eine ganze Zeile mit nichts als lauter Kommata an und bat darum, diese an passender Stelle selbst in den Text einzufügen. Eine wunderbare, weil wirklich witzige Idee! Man kann sie in jedem Vorwort in ähnlich formulierter Weise einfügen. Umgekehrt sollte man in verbesserten Neuauflagen nie versäumen, den Lesern der älteren Version(en) für mitgeteilte Fehler zu danken. Um der Gelassenheit auf die Sprünge zu helfen, habe ich den kleinen „Augenzwinker„-Text mit der Legende vom Zen-Meister und dessen Meinung zu „Fehlern“ verfasst (s. unten).
17.
Man könnte natürlich für jeden mitgeteilten Fehler eine Belohnung aussetzen. Aber ich fürchte, das wird erst bei einem €uro pro Fehler interessant, und was macht man dann mit den unzähligen Rückmeldungen – die dann eh meistens dieselben Fehler aufdecken? Ist also nicht durchführbar und würde wirklich sehr „ins Geld gehen“. Haken wir diese Möglichkeit mithin als „Kalauer“ ab. Oder geben wir einer Lektorin oder einem Lektor eine anständige Bezahlung für ihre Arbeit.
(Merke: Frauen sind viel geduldiger – auch wenn sie vielleicht nur entsprechend sozialisiert worden sind – und deshalb für Korrekturen weitaus besser geeignet! Dem widerspricht nicht, dass es auch männliche Lektoren gibt – ich bin selbst einmal nach dem Studium ein Jahr lang einer gewesen. Aber letztere, die männlichen Exemplare, sind wohl eher die Seltenheit.)
18.
Ein wunderbares Übungsfeld fürs Korrigieren sind übrigens eMails, gerade weil man recht viele solche Texte verfasst und publiziert = abschickt. (Dies ist – für mich jedenfalls – kein Fehler: Ich habe mich entschlossen „eMail“ zu schreiben und nicht „E-Mail“ oder ähnliche Varianten. Ist halt meine Marotte.). Was einem da so zugemutet wird, geht auf keine Kuhhaut. Entweder können viele Leute gar nicht Korrigieren – oder sie machen sich nicht die Mühe. Auf jeden Fall ist das eine Beleidigung für den Adressaten. So viel Zeit muss sein! Wenn ich eine eMail schicke – will ich ja in der Regel vom Adressaten etwas haben – und sei es eine Auskunft über irgendetwas. Dafür sollte ich ihm auch etwas geben – und sei es ein sorgfältig geschriebener und korrigierter Text.
19.
Zu dem Ganzen nun noch ein eigenes Erlebnis: Vor einigen Jahren schrieb ich eine Novelle von 40 Seiten Umfang. 25 (!) mal habe ich sie korrigiert, ergänzt, neu ausgedruckt. Sogar in der 26. Fassung habe ich noch 42 Fehler entdeckt. Diese x-mal schon überarbeitete Version gab ich vier (angehenden) Lektorinnen als eine Art Test zum Korrigieren; die beste wollte ich dann nehmen für die Korrekturen eines umfassenden Romans (alle bekamen übrigens je 50 €uro für ihre Arbeit, für jeweils rund fünf Stunden Arbeitsaufwand). Was meinen Sie, wieviele Fehler diese vier tüchtigen Frauen noch entdeckt haben?
° Die beste fand 194 Fehler,
° die zweitbeste 109,
° die drittbeste 89,
° die vierte immerhin noch 68.
Nachdem ich alle Doppel-Funde eliminiert hatte, ergab das insgesamt 208 Korrekturen – und das, wie gesagt, in der 25. von mir bereits durchkorrigierten Fassung*. Ich bin mir sicher, dass in der jetzigen (26. Fassung) noch immer einige Dutzend Fehler zu finden sind. Um frisch wieder dranzugehen, habe ich den Text jetzt aber erst einmal liegen lassen.
* – die allerdings durch Einschübe auf das gut Dreifache des ursprünglichen Umfangs angewachsen war, wozu noch allerlei Verschiebungen von Textteilen kamen – alles bestens geeignet, die Fehlerquote dramatisch zu erhöhen!
20.
Fehler sind nicht immer nur etwas Negatives. Manchmal äußert sich das Unbewusste und signalisiert auf einer tieferen psychologischen Ebene des Textes zusätzliche (oder ganz andere) Bedeutungen des Notierten. Dazu hat Sigmund Freud sehr Kluges beobachtet und berichtet, zum Beispiel in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“ (Kap. VI: „Verlesen und Verschreiben“). Eines seiner köstlichsten Beispiele:
Jemand möchte einen Skandal beschönigen. Weil diese Person das zugleich für eine „Schweinerei“ hält, dies aber nicht so deutlich sagen möchte, will sie formulieren: „Etwas ist zum Vorschein gekommen.“
Was ihr Mund jedoch, vom Unbewussten gesteuert, tatsächlich von sich gibt, ist dies: „Etwas ist zum Vorschwein gekommen.“
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Die Geschichte vom „garant irt dreckfühlerfreien Buch“
Es gibt eine Anekdote, die dieses nahezu hoffnungslose Unterfangen des Fehleraufspürens und -vermeidens karikiert. Ein sehr reicher Schriftsteller leistete sich den Luxus, sein neues Manuskript in allen Phasen vom ersten Satz-MS bis zu den Umbruch-Fahnen von zehn hervorragend qualifizierten und motivierten (und sehr sehr gut bezahlten) Lektoren immer und immer wieder überprüfen zu lassen. Schließlich gab er sich erleichtert einen Ruck und das Werk zum Druck frei. Tausende von Exemplaren stapelten sich am Ende in den Lagern des Verlags und wurden umgehen auf den Weg in die Buchhandlungen und zu den Rezensenten in den Redaktionen gebracht. Erleichtert nahm unser Autor das erste druckfrische Exemplar aus der Hand seines Verlegers entgegen und schlug die Seite mit dem Innentitel auf.
Er las seinen Namen (SEHR GROSSE ERLEICHTERUNG – den hatte man nämlich in einem früheren Werk schon einmal schrecklich verhunzt!!!)
Er las den Titel (große Erleichterung – den hatte man in einem früheren Werk auch schon falsch geschrieben!)
Er las den Untertitel – und erbleichte. Denn dort stand: „Dies ist das erste garan tirt dreckfühlerfreie Buch“.
Ja, so kann´s gehen. Aber es gibt noch eine andere Anekdote, die jeden Schriftsteller, Lektor, Verleger, Agenten, Buchhändler und Leser trösten dürfte:
Die Anekdote „Vom Zenmeister und dem Fliegenschiss“
Der japanische Kaiser gab dem berühmtesten Maler seines Landes, einem hoch angesehenen Zen-Meister, den Auftrag, das „vollkommene Bild“ für ihn zu gestalten. Die Jahre gingen ins Land; aber das Bild wurde nicht geliefert. Ungeduldig schickte der Kaiser endlich nach drei Jahren einen Boten zu dem großen Meister. Der Bote kam zurück mit der Bitte um Geduld, denn das Werk sei sehr schwierig, Vollkommenheit brauche Zeit.
Nochmal drei Jahre später schickte der Kaiser unmutig einen weiteren Boten, der mit derselben Antwort des Meisters zurückkam.
Der dritte Bote brachte nach nochmals drei Jahrenn Jahren endlich den Meister und sein Bild mit. Neugierig betrachtete der Kaiser das Gemälde und fand es in der Tat vollkommen in seiner schlichten Schönheit. Er sagte kopfschüttelnd:
„Aber warum hast du dafür so viel Zeit benötigt? Neun Jahre – eine Ewigkeit – du wurdest mir doch als der größte Meister der Malkunst und des Zen gerühmt!“
„Euer Majestät“, erwiderte der Meister, „das Bild war binnen weniger Minuten auf die Leinwand gebannt, kaum dass ich von Euch den Auftrag erhalten hatte. Es war in der Tat perfekt – aber es war langweilig. Es war zu vollkommen und deshalb Euer Majestät nicht würdig. Seht Ihr dort diesen winzigen Punkt? Es dauerte neun Jahre, bis die Fliege kam – und, mit Verlaub, darauf schiss. Nun erst ist das Werk vollendet. Durch jenen Augenblick von Unvollkommenheit, der sich nicht planen ließ.“
So ist das auch mit den Druckfehlern. Ein Buch ohne sie – wie langweilig! Erst wenn der Leser (weniger der Autor) sich mit Erfolg auf die Jagd nach den Zeichen der Unvollkommenheit begeben hat und sich nichts mehr ändern lässt an dieser scheinbaren Unvollkommenheit – ist das Werk wirklich gelungen.
Dies hofft zumindest Ihr geneigter Autor
Jürgen vom Scheidt
Erstveröffentlichung: 12. November 2018