Romanschreiben

Virtuelle Realität ist ein großes Thema unseres Zeitalters der Digitalisierung. Das Schreiben von Romanen, wie das Schreiben überhaupt, ist nichts anderes als die Erschaffung einer „Virtuellen Realität“, also einer Wirklichkeit, die es so nicht gibt. In diesem Sinne waren schon die Erzähler der Antike Erfinder von „virtuellen Realitäten“ wie den Göttern und all jenen sagenhaften Geschehnissen, die man sich von Helden und Ungeheuern erzählte. Sogar schon lange bevor diese Geschichten aufgeschrieben wurden, hat man sie sich an den Lagerfeuern der Urzeit mitgeteilt.

Nicht in die Wiege gelegt
Das Schreiben von Romanen ist nichts, was einem „in die Wiege gelegt“ wird, also angeborenes Talent ist. Eine gewisse Begabung ist sicher hilfreich und macht letztlich den Erfolg aus. Aber das meiste davon kann man lernen, ist Handwerk. Um es salopp mit dem großen Erfinder Thomas Alva Edison zu sagen (dem dieses Diktum zugeschrieben wird): „Erfolg besteht aus einem Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration.“
Ich würde es etwas differenzierter ausdrücken: „Erfolg speziell beim Romanschreiben besteht aus einem Drittel Kreativität (was weitgehend angeboren ist), einem Drittel handwerklichem Wissen (das man lernen kann) und einem Drittel Fleiß und Zielstrebigkeit plus genügend Ehrgeiz sowie einem Schuss Narzissmus.“ Was letzteres, den Narzissmus, angeht: Wer sich mit seinen Einfällen und seiner Sprache, seinem Stil, nicht in der Öffentlichkeit „zeigen“ will, taugt nicht zum Romanautor.
Zum erlernbaren Handwerk gehört zum Beispiel, Karteikarten für Notizen und zum Sortieren des Materials zu verwenden und eine gute Software wie Scrivener (ein Schreibprogramm wie WORD genügt nicht).
Ansonsten kann jeder Mensch im Prinzip wenigstens einen Roman schreiben, nämlich seine eigene Lebensgeschichte mit ihren Aufs und Abs. Darauf hat Ernest Hemingway hingewiesen, selbst erfolgreicher Romanautor und zu Recht sogar mit dem Nobelpreis für Literatur bedacht. Selbst ein Analphabet, der des Schreibens nicht mächtig ist, könnte seine Lebensgeschichte jemandem diktieren oder in Form von Interviews erfassen und professionell durch einen Ghostwriter gestalten lassen – es wäre dennoch sein (oder ihr) Roman, weil es buchstäblich „seine Geschichte“ ist.

Eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit
Einen Roman zu schreiben ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit. Ich (Jürgen vom Scheidt), gehe sogar so weit zu behaupten, dass es die größte Herausforderung ist, die man einem Gehirn stellen kann – müssen dazu doch unzählige Informationen nicht nur zu einem sinnvollen Ganzen komponiert, sondern den Lesern außerdem noch Unterhaltung, Spannung und Kurzweil geboten werden.
Nimmt man den „Absatz“ als Grundeinheit eines Textes, so findet man auf einer Druckseite ungefähr fünf solcher „Gedankenmodule“ (wie ich dies nenne). Bei einem Roman von 300 Seiten Länge (einem gängigen Umfang) sind dies dementsprechend an die 1.500 solcher Module!
Das alles ist mehr, als zum Beispiel von einem Sachbuch verlangt wird, das in erster Linie Informationen aufbereitet. Ein Roman muss ja außerdem, wie jede Erzählung, auch noch das „Gemüt“ ansprechen, will sagen: Den Leser so in die Erlebnisse seiner Figuren hineinziehen, dass man sich mit diesen identifizieren und mit ihnen „mitfühlen“ kann.
Roman-Werkstätten sind die Spezialität des IAK. Ich selbst habe, neben vielen Sachbüchern, viereinhalb* Romane veröffentlicht und arbeite derzeit an #5.
* Den „halben“ Roman bezeichne ich so, weil ich ihn gemeinsam mit fünf Freunden geschrieben habe: Das Unlöschbare Feuer. Das war viel Spaß und wurde sogar 1962 veröffentlicht. Eine wilde, ziemlich verrückte Science-Fiction Space Opera, über die wir besser den Mantel der „chrisltichen Nächstenliebe“ und des „freundlichen Vergessens ausbreiten wollen.

Aktualisiert: 17. Feb 2019 (neu eingeordnet unter „WERKZEUGE: WISSENSWERTES“) / Veröffentlicht: 10. November 2018