Schreibblockaden – und ihre Lösung

Inhalt dieses Beitrags
1. Schreibblockaden sind ein Alptraum…
2. Profis versuchen allerlei Tricks
3. Blockaden in etwas Neues verwandeln
4. Ein Beispiel: Sandra Cisneros
5. Beratung: lösungsorientiert und fokussiert
6. Manchmal genügt eine einzige Sitzung
7. Last but not least: Die existenzielle Blockade
_Literatur

1. Schreibblockaden sind ein Alptraum…

… für viele Menschen, die schreiben. Urplötzlich ist man damit konfrontiert, dass kein einziges Wort mehr aufs Papier will – der berühmt-berüchtigte Writer´s Block !

Häufig sind Profis davon betroffen: Journalisten, Schriftsteller, Wissenschaftler und andere Leute, die beruflich viele Texte verfassen müssen. Aber im Prinzip ist niemand dagegen gefeit, daß die Einfälle mit einem Mal versiegen und man mit einem Text nicht weiterkommt.

James Cameron beginnt das Drehbuch zu dem Film Strange Days mit folgenden Worten:
„Willkommen in meinem Albtraum“!

Thema dieses dramatisch angekündigten Kapitels: Camerons Schwierigkeiten beim Schreiben und wie es ihm gelungen ist, seine Blockade zu überwinden. Mark Twain überwand seine Schreib-Blockade mitten in seinem ersten Roman, indem er eine neue Erzählung begann (Ayck, S.86).

Zum ersten Mal taucht der Begriff der Schreibblockade wahrscheinlich in den 50er Jahren auf. Edmund Bergler, ein Therapeut in den USA, hat damals als einer der ersten Psychoanalytiker speziell mit Menschen gearbeitet, die unter einer solchen dramatischen Einschränkung litten und prägte den Begriff des Writer´s Block .

Ein handfeste Blockade gehört zu den Schrecken jedes beruflich Schreibenden. Nicht selten stehen die Betroffenen unter massivem zeitlichem Druck und möchten am liebsten mit einem Trick von ihrer Blockade befreit werden. Paul Watzlawick, ein anderer Therapeut und bekannt geworden als Meister der Paradoxen Intervention, hat bei Studenten, die über Schreibblockaden klagten, auf folgende Weise gute Resultate erzielt: Er schlug ihnen vor, „eine Arbeit ganz bewußt nur mittelmäßig zu machen“.

Dies befreite die Schreiber von dem Druck, perfekt sein zu müssen. (Watzlawick, S.176).

 

2. Profis versuchen allerlei Tricks

Schreib-Profis versuchen mit allerlei Tricks, den Writer´s Block aufzulösen: notfalls mit Alkohol, Haschisch oder Kokain. Oder auch mit dem ständigen Wechsel von Liebesbeziehungen, um entweder in einem Zustand der Verliebtheit verharren zu können – oder um durch diese Verliebtheit einen „neuen Motivations-Kick“ zu bekommen. Diese Ausweichmanöver werden oft zusätzlich zum Lifestyle hochstilisiert und scheinen zum Schreib-Beruf dazuzugehören. Schaut man jedoch hinter die Kulissen, wird klar, wie viel Angst dahintersteckt, „nicht mehr kreativ sein zu können“.

Genau dies bestätigte der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker, selbst jahrelang von dieser Angst geplagt, in einem Interview in der Illustrierten Stern, als er über seinen exzessiven Kokain-Gebrauch in den 90er Jahren sprach.

Die auf diesem Weg umgangene Angst vor der Blockade ist jedoch für die kreative Arbeit nicht förderlich, sondern beschwört im Gegenteil neue zusätzliche Probleme herauf. Deshalb empfiehlt es sich, das Problem gleich von der Wurzel her anzugehen und sich nicht erst in anstrengenden Ausweichmanövern und ständiger Anspannung zu verlieren.

3. Blockaden in etwas Neues verwandeln

In der Arbeit mit vielen Teilnehmern von über 500 Seminaren seit 1978 und während vieler Einzelberatungen hat sich gezeigt, daß es wirklich so etwas wie eine Naturgesetzlichkeit des kreativen Prozesses gibt und daß dieser an drei Stellen besonders gefährdet ist:

° Am Anfang,

° in der Mitte

° und am Schluß.

Wie bei den Strudeln in einem Fluß sollte man auf diese gefährlichen Stellen besonders achten. Sie stellen Krisen des kreativen Prozesses dar – und Krisen sind stets Gefahr ebenso wie Chance.

Genaugenommen gibt es nicht die Blockade, sondern eine ganze Reihe von ihnen. Sie sind sich zum Teil ähnlich (weil sie ähnliche Ursachen haben); aber es gibt doch auch deutliche Unterschiede.

Doch zunächst lohnt sich eine genauere Betrachtung, was konkret geschieht, wenn jemand kreativ wird. Dazu sollten wir unterscheiden,

° daß Kreativität einen Außenaspekt hat (die Notizen z.B., die man auf Papier festhält)

° und daß es einen Innenaspekt gibt (die Gedanken die man hat, die Einfälle während eines Brain storming , die geistige Struktur des entstehenden Textes).

4. Ein Beispiel: Sandra Cisneros

Als die hispanische Schriftstellerin Sandra Cisneros ihren Erzählungs-Band Kleine Wunder schrieb, bedurfte sie selbst eines Wunders: Mitten in der Arbeit befiel sie nämlich eine massive Schreiblähmung – und nichts ging mehr. Sie half sich auf eine in früheren Zeiten auch bei uns völlig normale, inzwischen jedoch weitgehend verlorengegangene Weise: Sie betete zur Heiligen Jungfrau, stiftete ihr Kerzen und versprach eine Pilgerfahrt zu einem Heiligtum in ihrer mexikanischen Heimat.

Gebet und Gelöbnis halfen. Ihre Lektorin soll über dieses Verfahren fassungslos den Kopf geschüttelt haben. Dazu können wir nur anmerken: Was hilft – das hilft!
Aber was kann jemand machen, der keinen Kontakt mehr zu seinen religiösen Wurzeln hat? Vielleicht dies:

Janna X., soll eine Abschlußarbeit über ein Projekt schreiben, in dem sie sich engagiert. Eine Blockade stoppt ihren Schreibfluß. Ursache der Blockade: Ärger über eine Mitarbeiterin, welche die Projektgruppe für ihre Privatbedürfnisse mißbraucht.

Solange der Ärger nicht geklärt wird, bleibt die Blockade vermutlich längere Zeit bestehen. Wird dieser Ärger aber beispielsweise in einer Beratung (Supervision) ausgegraben und geschildert, kann er ad acta gelegt werden. Die Freude über die Arbeit mit den betreuten Kindern während des Projekts ist wieder da. Die Einfälle beginnen zu fließen, nachdem der anfängliche Ärger zugestanden worden ist.
Diese Blockade möchte ich, nach ihrem Opfer, „Jannas Dilemma“ nennen. Andere Blockaden nennen wir „Maus in der Falle“, „Scheitern am Erfolg“, „Lampenfieber“ und dergleichen mehr. Die meisten haben allerdings keinen Namen. Fünfzehn verschiedene Varianten von Kreativitäts-Störung haben sich während vieljähriger Erfahrung in Schreibseminaren und Einzelarbeit für uns herauskristallisiert – mit ganz unterschiedlichen Ursachen.

In der Unter-Verzweigung [link:#106]15 ARTEN VON WRITER´S BLOCK[/link] finden Sie die wichtigsten Varianten beschrieben und Mittel und Wege, was sich jeweils im speziellen Fall tun läßt:

5. Beratung: lösungsorientiert und fokussiert

Nicht nur BerufsschreiberInnen melden sich bei uns zu Seminaren oder Einzelberatung an. Es gibt auch sehr viele andere Menschen, die unter den oben genannten Problemen leiden obwohl sie nicht schreiben müssen, sondern gerne schreiben möchten und es nicht können.

Es geht bei der Auflösung von Schreib-Blockaden immer darum, eine Starre zu lösen, die den Zugang zur Kreativität verhindert. Wir arbeiten mit Gesprächen, Übungen des Kreativen Schreibens bzw. des HyperWriting, gelegentlich auch mit kunsttherapeutischem Malen und mit Entspannungsübungen.

Wunder können wir in unserer Beratungs-Arbeit nicht bewirken. Aber wir können meistens die Ursachen der Blockaden aufdecken und vor allem die Freude am Schreiben (wieder) vermitteln. Wir sprechen im Zusammenhang mit unseren Seminaren und Beratungsangeboten auch ganz betont von Blockaden-Arbeit und nicht von Therapie, da unser Ansatz sehr am aktuellen Problem und dessen möglichst rascher Lösung anknüpft.

Für uns stellt besonders die Gruppenarbeit unter Einbezug verschiedenster Techniken eine große Bereicherung dar, die sehr rasch dazu beiträgt, daß die Freude am absichtslosen, freien Ausdruck zutage tritt, die wir in der Kindheit so oft erfahren haben. Es geht also letzlich darum, den Zugang zum schöpferischen Potenzial im Austausch mit anderen Menschen neu zu erfahren.

In den Gruppen, aber vor allem in der Einzelarbeit entwickelten wir einen fokussierten Ansatz, um professionell Schreibenden schnell helfen zu können, wenn sie bei uns Rat suchen, zum Beispiel bei Auftragsarbeiten mit Termin.

Was heißt „fokussieren“? Es heißt, nicht die ganze Lebensgeschichte aufzurollen, sondern ein klares Thema oder Schreib-Projekt in den Mittelpunkt zu stellen. Das Ziel dieser Arbeit ist: die Schreib-Fähigkeit möglichst rasch wieder herzustellen. Ohne etwas Selbsterfahrung, manchmal auch unter Einsatz von bewährten psychotherapeutischen Interventionen (Sichtbarmachen und Auflösen von Übertragungs-Projektionen, Abbau von Widerständen = Blockaden) geht das nicht.

Aber unser Motto dabei lautet: „So viel praktische Schreiberfahrung wie nötig – so wenig Selbsterfahrung (und therapeutische Intervention) wie möglich.“

Das heißt, es wird in der Beratungssituation nicht nur über Schreib-Probleme geredet, sondern möglichst sofort am Thema, am Projekt schreibend gearbeitet.
Eine solche Feuerwehr-Arbeit bewegt sich zwischen fachlicher Beratung, Coaching / Mentoring und Lebensberatung. Eine Einzelberatung erstreckt sich von einer einzelnen Sitzung von mindestens eineinhalb Stunden bis hin zu einer längeren Begleitung, während der die Teilnehmer an ihrer Arbeit schreiben (z.B. Dissertation, Buch-Manuskript, Diplomarbeiten).

Bei längeren Beratungen finden die Sitzungen wöchentlich oder vierzehntägig statt, je nach Bedarf. Die Beratung wird in der Regel beendet, wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde oder der kreative Schreib-Prozedaß zur Zufriedenheit des Ratsuchenden „wie von selbst“ läuft.

6. Manchmal genügt eine einzige Sitzung

Nicht jeder Schreibende ist so geübt, daß es auf Anhieb gelingt, längere Texte ohne Schwierigkeiten zu verfassen. Bei vielen liegt es am Mangel an Übung und/oder an Wissen, wie ein Text entsteht (Wissen um den kreativen Prozeß) oder am Fehlen des handwerklichen Know-hows. Bei anderen bricht durch den Streß, der durch die Anforderungen eines längeren und entsprechend komplexer aufgebauten Textes verursacht wird, ein möglicherweise schon länger schwelender Lebenskonflikt aus. Dadurch wird leicht so viel Lebensenergie gebunden, daß für das kreative Schaffen zu wenig Kraft übrigbleibt.

Gelegentlich macht jemandem nicht die Länge eines Textes Schwierigkeiten, sondern dasThema, das bearbeitet werden muß, ohne daß der Grund dafür bekannt ist. Gerade in solchen Fällen genügt oft eine einzige Sitzung, in deren Verlauf klar wird, wo der Widerstand dem Thema gegenüber liegt, wo es hakt.

In beiden Fällen kann eine kurzzeitige Begleitung über die Krise hinweghelfen und die Blockade bewältigen helfen.

Auch fehlendes Know how im praktischen Bereich kann durch eine auf die persönliche Situation zugeschnittene Einzelberatung undogmatisch und schnell vermittelt werden. Im Fall einer massiveren Blockade wird in den meisten Fällen durch Einsetzen von verschiedenen Methoden des Kreativen Schreibens und der Kunsttherapie so viel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufgebaut, daß eine angefangene Arbeit bewältigt werden kann. Dies bringt – auch wenn vielleicht dadurch ein dahinterstehender Lebenskonflikt selbst noch nicht gelöst ist – wenigstens Erleichterung.

Oftmals wird durch eine solche fokussierte Blockaden-Arbeit (drei bis etwa zehn Stunden) der Weg zu einer längerfristigen Auflösung der Schwierigkeiten geöffnet.

7. Last but not least: Die existenzielle Blockade

Falls Sie sich wundern, dass Sie hier nun ein paar Gedanken über den Sinn des Lebens angeboten bekommen (bzw. die Verzweigung dort hin):

Wer in dieser Richtung zu grübeln beginnt, ist vielleicht nicht unbedingt krank, wie Sigmund Freud das etwas krass formuliert hat – aber dass sich da eine Art existenzieller Blockade ankündigt, dürfte nicht falsch vermutet sein.

Literatur
Ayck, Thomas: Mark Twain. Reinbek März 1974 (Rowohlt Monographien), S. 76.
Cameron, James: Strange Days. (1995) Dt.: Strange Days. Reinbek 1996 (Rowohlt).
Bergler, Edmund: The Writer and Psycho-analysis. New York 1950 (Doubleday).
Gehring, Hans Ruedi: Rätselhafter Tod in Zähringen. Zürich 2001 (orte-Verlag).
Kamagurka: Schreibstau. Zürich 1996 (Edition Moderne) [Köstliche bis bösartige Karikaturen über des Schreibers liebste Krankheit: die Schreibblockade.]
Kruse, Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt: Ohne Schreibblockaden durchs Studium. Frankfurt am Main 1994 (Campus).
Scheidt, Jürgen vom: „Strudel im Fluß der Kreativität“. In: Ders.: Kreatives Schreiben. (1988) Vierte überarb. Auflage Frankfurt am Main Jan 2003 (Fischer TB).
Watzlawik, Paul, Weakland, John H. und Richard Fisch: Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern 1974 (Huber).
Zenhäusern, Ruth: Kunsttherapie und Kreatives Schreiben. Auflösung von Schreibblockaden. München 2000 (Selbstverlag).

© 2020-02-29 (2008) für diesen Text: Jürgen vom Scheidt / Quelle: iak-talente.de